Vom Vegetarier zur Jägerin

Den Weg vom Vegetarier zur Jägerin wie Frauchen ihn gegangen ist, gehen wohl so nur Wenige. Frauchen erzählt euch, wie sie zum Jagdschein gekommen ist und warum sie vorher Vegetarier war.


Vor knapp 8 Jahren habe ich mich entschlossen kein Fleisch mehr zu essen. Grund war einfach, dass ich kein Fleisch essen wollte, das aus einer Massentierhaltung kommt. Natürlich hatte ich die Möglichkeit Lamm und Hase vom Hof meiner Eltern zu essen, aber auch da komme ich auch heute noch nicht ran. Als Kind hat man das Großziehen, Schlachten, Auseinandernehmen und schließlich Essen hautnah mitbekommen. Jedoch hat auch noch heute jedes Tier auf dem Hof einen Namen. Und wenn dann der Hase "Hansi" oder das Schaf "Mäxchen" auf dem Teller lag, war das schon ein komisches Gefühl.

Ich habe mich also 5 Jahre vegetarisch ernährt. Dann habe ich meinen jetzigen Lebensgefährten kennen gelernt. Ein Jäger. Es war im Mai und Christoph bot mir an mit auf den Ansitz zu kommen. Bis zu meinem 9. Lebensjahr war ich fast jeden Abend mit meinem Großvater auf dem Abendansitz. Mir hat das jede Menge Freude bereitet. Die Natur erleben, das Wild zu sehen, der Duft von Wald, Wiese und Feld. Mein Großvater verstarb relativ früh und ich hatte keine Möglichkeit mehr zur Jagd zu gehen, also verlor ich auch mehr und mehr den Bezug dazu.

Christoph und ich bezogen eine Kanzel an der Reviergrenze. Christoph läd die Waffe. Das vertraute Geräusch des Durchrepetierens, ließ mich in Erinnerungen schwelgen. Es war noch früh am Abend und die Sonne tauchte die Landschaft in sanftes Licht. Vor uns eine Wiese, rechts davon Acker und links fängt der Wald an. Wie es kommen musste erlegte Christoph an diesem Abend einen laufkranken Bock. Wir haben den Bock geborgen und aufgebrochen. Ein paar Tage später war es das erste Gulasch, das erste Stück Fleisch überhaupt nach fünf Jahren. Ich muss etwas Grinsen, wenn ich daran zurückdenke, wie es für Christoph war, als ich noch Vegetarierin war. Die Restaurantauswahl in Frankfurt war schon immer ein Abendteuer für ihn und er bat mich damals alles nochmal genau zu überdenken. Das tat ich und entschied mich also seine Welt kennenzulernen: das Jagen.

Nach einem Jahr und etlichen Ansitzen mit Christoph, wurde allmählich wieder die Freude am Jagen geweckt. Also ging ich nach Göttingen um dort den Jagdschein zu machen. Mein erster Ansitz damals, bei dem ich selbst eine Büchse führen durfte und alleine war, bleibt mir in Erinnerung. Nach ein paar Ansitzen mit Christoph, bei denen sich nicht ein Stück Wild zeigte, es war wie verhext, gingen wir auf getrennte Kanzeln. Wir waren zu Dritt draußen und ich saß an einem wenig befahrenen Radweg. Links von dem Radweg Weizen, oberhalb von mir Weizen. Dahinter Wald. Ich knipste ein paar Bilder mit dem Handy, dabei fiel mir ein Fleck im Weizen auf. Es war eine Ricke und sie hatte zwei Kitze bei Fuß. Ich konnte sie durchs Glas schön beobachten wie sie in der Fahrspur zogen. Kurze Zeit später, ein weniger vertrautes Bild zu dieser Zeit. Eine Sau in der anderen Fahrspur. Sie zog direkt auf mich zu. Die Nervosität wuchs. Ich machte mich fertig. Dann zog die Sau über den Radweg in die Hecken. Danach kam die Wiese auf der die Kanzel steht und das angrenzende Weizenfeld, welches das Ziel des Wildschweins war. Ich hörte es knacken und krachen im Gestrüpp. Und da war es. Keine 50 Meter von der Kanzel entfernt zog es über die Wiese. Leider mit Anhang. Ein Frischling, noch in Streifen, folgte der Bache und hatte Mühe Schritt zu halten im hohen Gras. Ich seufzte und nahm die Waffe runter. Die Bache schlug sich entspannt den Bauch voll. Ich konnte ein paar Aufnahmen mit dem Handy schießen.

Dann krachte es wieder im Gestrüpp. Ich griff sofort nach der Büchse. Vier Überläufer wechselten über den Wiesenstreifen, ebenfalls mit dem Ziel: Weizenfeld. Ich legte an, hatte die Sauen schräg von hinten. Das letzte Stück konnte ich mit einem Schuss hinter den Teller, noch bevor es in den Weizen einwechseln wollte, strecken. Es lag im Knall. Und dann fing ich an zu weinen. Ich zitterte am ganzen Körper. Mir wurde bewusst, ich habe ein Leben genommen. Ich habe entschieden, dass ich ein Leben nehme. Die Gefühle fuhren Achterbahn. Einerseits freute ich mich, mein erstes Schwein erlegt zu haben, andererseits musste ich mich das erste Mal mit dem Gedanken auseinander setzen, ein Tier getötet zu haben, um dessen Fleisch zu konsumieren. 

Ich spähte nochmal aus dem Kanzelfenster Richtung Weizen. Es war immernoch bestes Licht und ich erschrak, als ich bemerkte, dass die Sauen immernoch im Weizen standen. Ich zählte vier große Sauen. Eine fehlte. Da ich die Sau nicht liegen sah im hohen Gras, gingen mir plötzlich tausend Gedanken durch den Kopf. Wieso laufen die anderen Wildschweine nicht weg? Habe ich wirklich geschossen? 

Ich schrieb Christoph eine SMS und schilderte ihm die Situation. Ich bekam die Antwort, die mir wohl jeder Jäger in dieser Situation gegeben hätte, auf die Frage, was ich jetzt tun solle: "Schieß noch eines!" 

Aber dazu fühlte ich mich nicht mehr in der Lage. So aufgewühlt wie ich war und immernoch zitternd wartete ich bis die Sauen den Weizen verlassen hatten und Christoph machte sich auf den Weg. Ich hatte an diesem Abend mein erstes Wildschwein strecken können. Ich konnte den Grundsatz der Jagd erfüllen, die oberste Priorität des Jägers, waidgerechtes Jagen und dem Tier Leid ersparen. Das Brauchtum der Jagd basiert auf Erfurcht und Respekt dem Wild gegenüber welches gejagt wird. Die Sau ist an Ort und Stelle tot zusammengebrochen und ich verspüre auch bei jedem weiteren Stück Wild, welches ich erlege aus Verantwortung zur Waidgerechtigkeit heraus eine große Erleichterung. Ich esse Tiere, die ich selbst gejagt und erlegt habe. Das friedlich äsende Wild wird für mich persönlich auf eine vertretbare Weise zur Strecke gebracht, ohne dass es leiden muss.

Ich bin sehr froh, die Entscheidung getroffen zu haben, den Jagdschein zu machen. Ich verbringe unheimlich gerne viel Zeit im Revier und den Arbeiten die dort anfallen. Ich genieße die Zeit auf dem Hochsitz. Die  Möglichkeit Fleisch zu essen, ohne meine moralischen Skrupel über Bord zu werfen. 

Waidmannsheil!